Bild und Gegenbild: Zur Revision der Sammlung

zigeunerinnenZwei Zigeunerinnen mit Katze (Otto Mueller, 1926/27)/
Zigeuner sein (Dokumentarfilm von Zsóka und Peter Nestler, 1970)
02. November 2019 bis 01. März 2020

Otto Muellers Zwei Zigeunerinnen mit Katze (1926/27) gehört zu den bekanntesten Gemälden in der Sammlung des Museum Ludwig. In ihm wird ein Blick eingenommen, den westliche Gesellschaften über Jahrhunderte eingeübt haben: der Blick auf „Zigeunerinnen“ als das schlechthin Andere, exotisch Weibliche, animalisch Aufreizende, das der Zivilisation gegenüber gestellt ist und von ihren Errungenschaften so wenig weiß wie von ihren Zwängen. Dieser Blick – und der Blick heutiger Betrachter*innen auf das Bild – hat eine gewisse Unschuld auch deshalb bewahren können, weil Muellers Kunst von den Nazis verfemt wurde und der deutsche Völkermord an den Sinti*zze und Rom*nja Muellers wohlmeinende Exotisierung vergleichsweise harmlos erscheinen ließ.

Mit einer neuen Präsentation in der Dauerausstellung durchkreuzt das Museum Ludwig diesen Blick und nimmt ihm seine vermeintliche Unschuld. Vom 2. November 2019 bis zum 1. März 2020 wird gegenüber von Muellers Zwei Zigeunerinnen der Dokumentarfilm Zigeuner sein (SE 1970, 47 Min.) von Peter und Zsóka Nestler installiert sein. Wie viele Filme Peter Nestlers geht auch dieser von bildender Kunst aus: von Werken Otto Pankoks, eines Zeitgenossen von Otto Mueller, der das harte Leben von Sinti*zze und Rom*nja in unzähligen Kohlezeichnungen festgehalten hat. Die Nestlers greifen diesen Impuls auf. In langen Einstellungen lassen sie Überlebende des Völkermordes und ihre Angehörigen zu Wort kommen und leiten deren aktuelles Elend von der 600-jährigen Geschichte der Verfolgung und gesellschaftlichen Isolierung her, die in den Vernichtungslagern kulminierte. Der Film ist eine ebenso nüchterne wie bestürzende Bestandsaufnahme der Situation der Sinti*zze und Rom*nja im postnazistischen Europa.

In der Gegenüberstellung von Bild und Film wird erprobt, wie der Blick auf Kunst um historische, soziale und politische Aspekte erweitert werden kann, ohne ausschließlich auf kunsthistorische Erklärungsmuster oder biografische Angaben zum Künstler zurückzugreifen. Es soll von der Darstellung ausgegangen werden, von den Bildern, ihrer Wirkung und ihrem Gebrauch. Die Konfrontation von Bild und Gegenbild eröffnet einen Raum, in dem Fragen nach Repräsentation, Erfahrung, Definitionsmacht und Verantwortung aufkommen können.

Peter Nestler, geboren 1937 in Freiburg, ist einer der einflussreichsten Dokumentarfilmer unserer Zeit. Sein Werk wird international hochgeschätzt (der Regisseur Jean-Marie Straub nannte Nestler den wichtigsten Filmemacher in Nachkriegsdeutschland). Hierzulande ist es noch immer wenig bekannt. Das liegt auch daran, dass Nestler 1966 nach Schweden auswanderte: Nach seinem Film Von Griechenland, der den Weg in die Militärdiktatur zwei Jahre, bevor sie errichtet wurde, vorzeichnete, gab ihm das westdeutsche Fernsehen keine Aufträge mehr. Er arbeitete seitdem für das schwedische Fernsehen. Viele seiner Filme sind in Zusammenarbeit mit seiner Frau Zsóka entstanden.

BEGLEITENDE FILMVERANSTALTUNGEN MIT PETER NESTLER
IM FILMFORUM NRW IM MUSEUM LUDWIG

05. November 2019, 19 Uhr
Zigeuner sein SE 1970, 47 Min. R: Peter und Zsóka Nestler
Nach der Filmvorführung spricht Peter Nestler mit Kuratorin Julia Friedrich über die Entstehung und Wirkung seines Films Zigeuner sein.
Eine Veranstaltung in der Reihe KunstBewusst der Freunde des Wallraf-Richartz-Museum und des Museum Ludwig.
Eintritt: 2,50€/ 1,50€ ermäßigt

06. November 2019, 19 Uhr
Dürfen sie wiederkommen? SE 1971, 47 Min. R: Peter und Zsóka Nestler
Ausländer, Teil 1: Schiffe und Kanonen, SE 1976, 44 Min. R: Peter und Zsóka Nestler
Zwei weitgehend unbekannte Filme von Peter und Zsóka Nestler. Sie behandeln Fragen, die auf der Tagesordnung stehen. Dürfen sie wiederkommen?, entstanden in Reaktion auf die starken Wahlergebnisse der NPD in Westdeutschland, fragt nach der Aktualität des Faschismus: In Gesprächen mit Wissenschaftler*innen und Zeitzeug*innen arbeitet der Film die Voraussetzungen der faschistischen Ordnung heraus und untersucht, ob sie noch gegeben sind. Schiffe und Kanonen, der erste Teil einer Serie über Ausländer in Schweden, schildert die Geschichte der Arbeitsmigration anhand zweier Branchen: des Schiffbaus in Schweden und der belgischen Rüstungsindustrie.
Im Anschluss: Gespräch zwischen Nestler und dem Regisseur Andreas Goldstein (Der Funktionär, D 2018).
Eine Kooperation der Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NW und des Museum Ludwig.
Eintritt: 7,00 €/ 4,00 € ermäßigt

Weitere Informationen unter: www.museum-ludwig.de

Szenenfoto:
Zigeuner sein, BRD 1970
Regie: Peter Nestler (in Zusammenarbeit mit Zsóka Nestler)
© Deutsche Kinemathek

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