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10.Februar 2015 Filmvorführung "WEIT ENTFERNT VON DER HEIMATSTADT FUTABA - NUCLEAR NATION" apanisches Kulturinstitut Köln

csm Nuclear Nation 2 01 24f321bfadEin Tag nach dem Erdbeben und Tsunami am 11. März 2011 kam es in den Reaktorblöcken des Kernkraftwerkes Fukushima Daiichi zu Explosionen und Bränden, die verheerende Auswirkungen auf die Umwelt hatten und einen rapiden Anstieg der Strahlenbelastung in der Region nach sich zogen.

Die etwa drei Kilometer entfernt gelegene Kleinstadt Futaba wurde mit radioaktivem Niederschlag überzogen und kurze Zeit später von der japanischen Regierung zur Sperrzone erklärt. 1.400 der insgesamt etwa 7.000 Bewohner der Stadt flohen in eine 250 Kilometer entfernte Schule. Die komplette Gemeinde, darunter auch das Rathaus, wurde in das vierstöckige Schulgebäude verlagert.

Weit entfernt von der Heimatstadt Futaba – Nuclear Nation I ist zum großen Teil in diesem Schulgebäude aufgenommen und porträtiert die Flüchtlinge der Reaktorkatastrophe. So zum Beispiel Nakai Ichirô, der früher Landwirt war und durch die Wucht des Tsunami seine Frau, sein Zuhause und seine Reisfelder verloren hat. Gemeinsam mit seinem Sohn bemüht er sich redlich, mit der Monotonie des neuen Alltags und den quälenden Erinnerungen fertig zu werden. Die beiden erhalten schließlich eine Erlaubnis, die Sperrzone zu besuchen und kehren noch einmal in ihre alte Heimat zurück.

Ein anderer Protagonist ist Idogawa Katsutaka, der Bürgermeister von Futaba, der früher ein aktiver Verfechter der Atompolitik der Regierung war und für die Errichtung zusätzlicher Atommeiler eingetreten ist. Doch nach den einschneidenden Geschehnissen des 11. März 2011 setzte bei ihm ein grundlegender Sinneswandel ein.

In Weit entfernt von der Heimatstadt Futaba – Nuclear Nation II sucht Funahashi Atsushi erneut Kontakt zu den ehemaligen Bewohnern von Futaba und zeigt ihre heutige Lebenssituation. Noch immer leben viele von ihnen in temporären Unterkünften, da 96 Prozent des Stadtbezirks von Futaba nach offizieller Sprechweise zu einer „difficult-to-return"-Zone erklärt wurden.

Die Betreiberfirma TEPCO beginnt, Kompensationszahlungen an die Bewohner zu leisten, wobei sie für die Einschätzung des Wertes für Gebäude und Land die (niedrigen) Preise zugrunde legt, die am 10. März 2011 galten, also am Tag vor der Katastrophe. Neben den finanziellen Schwierigkeiten zerstreut sich die Gemeinde langsam und die einstigen Verbindungen zwischen den Bewohnern lösen sich auf. So fragt der Film am Beispiel der Bewohner von Futaba nach dem Preis des Kapitalismus und der Atomenergie.

Der Regisseur Funahashi Atsushi wurde 1974 in Osaka geboren und hat an der Universität Tokyo Filmwissenschaft studiert, bevor er 1997 nach New York ging und ein Regiestudium an der School of Visual Arts absolvierte. Sein Spielfilmdebüt Echoes (2001) gewann Preise der Jury und des Publikums auf dem Annonay International Film Festival in Frankreich. Sein zweiter Film Big River (2006), produziert vom Office Kitano, lief erfolgreich auf Filmfestivals weltweit. Darüber hinaus drehte er für den japanischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender NHK zahlreiche HDTV-Dokumentationen über gesellschaftliche Themen, von denen For the Joyful Moment of Life- Treatment for Alzheimer's Disease (2005) mit einem Telly Award ausgezeichnet wurde.

2007 ist Funahashi nach Tokyo zurückgekehrt, um dort Filme und Fernsehdramen zu drehen. 2009 entstand Deep in the Valley, eine Mischung aus Fiktion und Wirklichkeit, die im alten Stadteil Yanaka von Tokyo spielt. Für Cold Bloom (2012), der die Liebesgeschichte zwischen einer Witwe und einem Mann erzählt, der für den Tod ihres Ehemanns verantwortlich ist, erhielt Funahashi zahlreiche Preise. Die Premiere seiner ersten Dokumentation Weit entfernt von der Heimatstadt Futaba – Nuclear Nation I wurde 2012 auf der Berlinale gezeigt.

Zu den beiden Filmen über Futaba bemerkt Funahashi Atsushi:
„Wir können unmöglich wissen, wann die grundlegenden Fragen nach neuen Häusern und Arbeitsplätzen beantwortet werden. Für mich war es entscheidend, diese Zeit des Wartens zu dokumentieren. Die Flüchtlinge leben ihr Leben wie in einer Warteschleife und dürfen nicht vergessen werden. Dies war der große Antrieb für mich, mit der Kamera in der Hand zu den Leuten zu gehen. Ich habe Ende März 2011 mit den Dreharbeiten begonnen, als die meisten Medien sich in ihrer Berichterstattung auf das Ausmaß der Zerstörung durch das Erdbeben und den Tsunami konzentriert haben. In meinem Film hingegen richte ich den Blick auf das Leben von Flüchtlingen, die eine Zeit des Wartens in Zufluchtsorten und Behelfsunterkünften verbringen."

Filmvorführung
Dienstag, 10. Februar 2015 / 19 Uhr
Weit entfernt von der Heimatstadt Futaba - Nuclear Nation I, 2012, 96 Minuten, OmeU

Filmvorführung und Gespräch mit dem Regisseur Funahashi Atsushi
Mittwoch, 11. Februar 2015 / 19 Uhr
Weit entfernt von der Heimatstadt Futaba - Nuclear Nation II, 2014, 114 Minuten, OmeU
Das Gespräch wird deutsch-japanisch konsekutiv gedolmetscht.

Japanisches Kulturinstitut
(The Japan Foundation)
Universitätsstraße 98
50674 Köln

Weitere Informationen unter: http://www.jki.de

Fotos: ©2014 Documentary Japan, Big River Films